Laktase Tabletten nur in Ausnahmefällen? – Eine Verteidigung
Martin Lipsdorf stellt seit 2011 Laktasepräparate von Hand in Leipzig her und teilt seine Erfahrungen auf diesem Blog mit Menschen, die keine Milch vertragen.
Kurzfassung – alle Fakten auf einen Blick:
(klicken Sie hier für detailliertere Langfassung):
Etwa 10% der Deutschen vertragen keine Laktose (Milchzucker). Sie können Laktose meiden und laktosefreie Milchprodukte kaufen oder Laktase Tabletten mit dem Enzym Laktase nehmen.
Das Enzym Laktase hilft, den Milchzucker Laktose zu verdauen.
Mythos: Laktase ist ein Medikament und sollte nur in Ausnahmefällen genommen werden. Laktosefreie Milchprodukte sind sicherer.
Fakten:
- Laktase ist kein Medikament, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel – also rechtlich ein Lebensmittel
- Es gibt keine bekannte Maximaldosierung von Laktase, die Nebenwirkungen verursachen könnte.
- Laktase Tabletten helfen dabei, den Milchzucker Laktose so stark zu reduzieren, dass die Symptome ausbleiben
- Bei Laktosefreien Milchprodukten wird in der Industrie Laktase in die Milch gegeben und die Laktose schon in der Fabrik reduziert, damit die Symptome beim Trinken der Milch ausbleiben.
- In beiden Fällen wird Laktose soweit verdaut, dass die Mehrzahl der Betroffenen keine Symptome mehr hat.
- ein kleiner Teil unverdauter Laktose könnte, einer neuen Studie aus 2024 zufolge, sogar gut für die Darmflora sein [1]
Fazit:
- Laktoseintolerante können Laktasepräparate nach Bedarf verwenden, um ihre Lebensqualität zu verbessern.
- Laktosefreie Milchprodukte sind nicht besser/schlechter als Laktase Tabletten im Umgang mit Laktoseintoleranz.
- Eine gute Mischung der zwei Wege hilft, symptomfrei zu naschen.
Tipps:
- Nutzen Sie laktosefreie Milchprodukte dort, wo sie immer wieder kleine Mengen brauchen. Etwa bei Milch im Kaffee. Hier lohnt sich laktosefreie Milch am Meisten.
- Prüfen Sie, welche Milchprodukte ganz ohne Hilfe gut verträglich sind. Viele Betroffene vertragen normale Milch in kleinen Mengen über den Tag verteilt.
- Nutzen Sie Laktase für die großen Mahlzeiten, beim Essen außer Haus und immer dann, wenn Sie genießen wollen.
Laktase Tabletten nur in Ausnahmefällen? – Langfassung
Laktase Tabletten gelten als No-Go.
Meist beginnt es mit einem Rat im Internetforum, einer Facebookgruppe, einem Hinweis einer Bekannten oder aber mit einem Artikel wie diesem. Sie sind gerade mit Laktoseintoleranz diagnostiziert worden und überlegen, wie Sie Ihren Alltag jetzt gestalten sollten, um damit besser umgehen zu lernen.
Sie suchen online und melden sich in Facebookgruppen an, wo sie den immer gleichen Grundton lesen:
Laktoseintolerante müssen Laktose (Milchzucker) unbedingt meiden! Laktase (das Enzym, dass Laktose spaltet) ist ein Medikament und – natürlich! – nur für Ausnahmefälle.
Es ist ein Umgang mit Laktoseintoleranz, den ich seit Jahren immer wieder finde und der sich mit der Schwemme an laktosefreien Produkten und dem damit einhergehenden Werbetrubel extrem verbreitet hat.
Das erleben wir jeden Tag in den Fragen, die uns zu Laktase gestellt werden.
Manche Betroffene sind verunsichert, weil sie in Facebookgruppen an den Kopf gehauen bekommen, dass Tabletten, Kapseln oder Millis als Medikament abzulehnen sind („Man nimmt doch keine Chemie!“).
Es klingt, als wären sie ein Zeichen von persönlicher Schwäche, weil man nicht auf seinen Körper hören und verzichten will.
Andere Betroffene neigen aus Angst im Umgang mit Laktase zu komplett überhöhten Dosierungen. „Ich bin stark intolerant, das zeigt der Atemtest [Anm. der Atemtest kann das nicht zeigen, er ist zu wackelig] und ich benötige deshalb auch die „extra starke“ Laktase“.
Es gibt tatsächlich einen kleinen Teil Laktoseintoleranter, die durch Operationen und Schäden im Dickdarm sehr sensitiv geworden sind.
Sehr liebe Besteller von uns gehören dazu.
Die Mehrheit der Laktoseintoleranten wird aber aus meiner Sicht (und Erfahrung in der persönlichen Arbeit mit Betroffenen seit 10 Jahren) missinformiert.
Dieser Artikel soll einen anderen Blick auf Laktase geben. Einen hoffentlich differenzierten, der sowohl gegen die Verteufelung als auch gegen die exzessive Verwendung von Laktase argumentiert.
Wir verkaufen Laktase – unser Umsatz wäre höher, wenn Sie bei uns bestellen und mehr nehmen.
Aber ich könnte mir morgens nicht mehr in den Spiegel schauen und hoffe, wir können uns bei Ihnen durch Ehrlichkeit empfehlen.
Hier können Sie diesen Artikel auch barrierefrei anhören.
Der Artikel schöpft sich aus meiner eigenen Erfahrung, der unserer Besteller und den erschreckend wenigen wissenschaftlichen Daten, die wir zu Laktase haben.
Wenn Ihnen der Artikel zu Beginn dennoch einseitig erscheint, so hat das Methode:
Ich will in gewisser Hinsicht Anwalt gegen die nicht einzudämmende Haltung „Vermeiden + Laktase nur im Ausnahmefällen“ sein.
Ich will Sie zum kritischen Hinterfragen und mutigen Probieren anregen, wo bisher viel Werbung mit Angst gemacht wird.
1. Laktase ist Chemie – laktosefreie Milchprodukte sind natürlich?
Dass Laktase „Chemie“ ist, ist in der umgangssprachlich gemeinten Weise falsch.
Anders als Wirkstoffe in Medikamenten, die chemisch hergestellt, bewusst technisch synthetisiert werden, ist Laktase ein Stoff, der in jedem Joghurt natürlich vorkommt.
Tabletten tragen nun aber immer den Anstrich einer Krankheit mit sich, und so liegt es nahe, dass der Mythos der chemischen Laktasetablette kursiert.
Die Vielzahl der tatsächlich synthetisch hergestellten Zusätze in vielen Tabletten bekräftigt das nur.
Laktase selbst ist ein Fermentationsprodukt.
Sie entsteht unter anderem in Joghurt. Sie ist kein synthetisch hergestellter Stoff.
Laktase ist zudem kein Medikament, sondern gilt rechtlich europaweit als Lebensmittelzusatzstoff oder allgemein gesagt: als schlichtes Lebensmittel.
Laktase ist zunächst einfach nur ein Protein, wie auch Proteine in Ei oder Milch – ein Nährstoff, aus dem Ihr Körper Muskeln, Haar und Haut bildet.
Laktase ist jedoch kein gewöhnliches Protein.
Manche Proteine haben eine besondere Wirkung.
Denken Sie beispielsweise daran, dass Ananas oder Kiwi Milch ausflocken lässt.
Grund dafür ist ein Protein in der Ananas, das Bromelain, das auf die Milcheiweiße wirkt.
Solche Enzyme, die auf andere Stoffe eine Wirkung haben können, nennt man Enzyme.
Auch Laktase hat eine Wirkung.
Sie spaltet den Milchzucker Laktose auf wie eine Schere.
Ein Schnitt in der Mitte und es entstehen Traubenzucker und Schleimzucker, die dann vom Menschen verdaut werden.
Durch diese Fähigkeit gehört Laktase zur Gruppe der Enzyme.
Diese besondere Wirkung entsteht nun nicht durch chemische Veränderungen, sondern über den ganz natürlichen Aufbau des Proteins – oft wird das Bild eines Türschlosses genannt. Laktase ist so gebaut, dass sie eine Stelle hat, die wie ein Schlüsselloch ist.
Der richtige Schlüssel, also der richtige Stoff, passt hinein und löst die Wirkung aus.
Für Laktase ist Laktose der Stoff – deshalb der Name Lakt- und -ase als Bezeichnung dafür, dass hier eine zerteilende Wirkung auftritt.
Laktase ist also ein Protein mit besonderer, aber ganz natürlicher Funktion.
Auch viele laktosefreie Milchprodukte enthalten Laktase als Zusatz, der in der Molkerei den Laktosegehalt durch seine spaltende Wirkung reduziert.
Danach wird alles ultrahocherhitzt und die Laktase dabei so durcheinandergebracht, dass sie keine Laktose mehr spaltet.
Die Laktase in Milchprodukten und die Laktase in Tabletten oder unseren Millis sind und bleiben eben eins: Laktase.
Eine ist so natürlich oder auch unnatürlich wie die andere und als Laktoseintolerante kommen wir um das Enzym kaum herum.
2. Mythos: „Laktase darf man nur in Ausnahmefällen nehmen, denn Laktose reizt sonst den Darm und das Risiko darf man nicht eingehen.“
Normale Milchprodukte vom Bauern aus der Region zu kaufen und Laktase dazu zu nehmen ist für nicht wenige unserer Besteller der Hauptgrund für die Einnahme.
Für mich auch (abgesehen von meiner Joghurtabhängigkeit).
Statt die Großmolkerei Laktase in die Milch geben zu lassen und es dann in Kartonverpackungen ultrahocherhitzt zu kaufen, hilft Laktase in unseren Millis unseren Bestellern dabei regional zu kaufen.
Doch dafür ernten sie gern in Betroffenengruppen Kritik oder hämische Kommentare.
Dass Laktase nur für Ausnahmen geeignet wäre, wird meist dann dadurch begründet:
- Dass immer etwas Laktose „durchrutschen“ könnte (das ist richtig und für uns Betroffene extrem wichtig, dazu mehr)
- dass man Laktase nicht immer genau dosieren kann, weil man ja wissen muss wie viel Laktose enthalten ist, dass dadurch gefährliche Probleme im Darm auftreten könnten (die Dosierung nach Laktosegehalt ist veraltet und der Effekt auf den Darm eher positiv)
- dass laktosefreie Lebensmittel mit ihrem garantiert niedrigen Laktosegehalt sicherer sind (von der Wirkung auf die regionale Ökonomie abgesehen wird hier eine Sicherheit verkauft, die Betroffene nicht bräuchten, wenn man sie Ihnen nicht erst einredet)
Die Grundannahme dieser Sorgen bleibt unausgesprochen:
Dass Laktose eine Gefahr ist.
Das trifft gerade bei Betroffenen auf fruchtbaren Boden, die Ihre Diagnose frisch bekommen haben oder sich sogar ohne Diagnose wundern, ob Laktose Ursache des Problems sein könnte.
Dann wird über das Ziel hinausgeschossen.
Statt „Die Dosis macht das Gift“ und ein mutiges Herausfinden, welche Laktosemenge denn eigentlich verträgt ist oder wird, wenn man sich herantastet, wird aus Angst komplett und penibel vermieden.
Das Problematische an dieser Angst ist, dass sie mit recht großer Sicherheit unbegründet ist.
Warum?
Weil die Symptome einer Laktoseintoleranz nicht durch Laktose selbst ausgelöst werden, sondern durch eine zu große Menge Laktose für den jeweiligen Dickdarm.
Stellen Sie sich vor, Ihr Bauch ist wie eine Brücke.
Nur eine gewisse Menge von Menschen kann über die Brücke auf die andere Seite gelangen.
Wird die Brücke schmaler, müssen die Menschen länger warten und es können weniger Menschen in derselben Zeit auf die andere Seite.
Bei Laktoseintoleranten wird die Brücke immer schmaler, weil die Fähigkeit des Körpers Laktose zu verarbeiten abnimmt.
Laktose kann immer noch vom Körper verdaut werden – von den guten Darmbakterien im Dickdarm – doch es ist deutlich weniger und bei manchen Betroffenen durch Schäden im Dickdarm tatsächlich sehr wenig.
Doch für die Mehrzahl der Betroffenen ist nicht Laktose das Problem, sondern zu viel Laktose auf einmal.
Wie auf der Brücke mit vielen Menschen gibt es einen Stau und es kommt alles durcheinander.
Als Laktoseintolerante müssen wir keine Laktose meiden. Nicht Laktose überhaupt ist das Problem, sondern zu viel Laktose in zu kurzer Zeit.
Dass Laktose ohne Laktase oder andere Hilfen bei Laktoseintoleranz vertragen werden kann, zeigen fast zwei Dutzend Studien und es wird durch den offiziellen Bericht des europäischen Sachverständigenrats EFSA klar bestätigt:
Es sind Mengen im Bereich mehrerer Gramm und damit deutlich mehr das, was Werbung und Internetforen vermitteln.
Innerhalb dieser Grenze von mehreren Gramm – konkret bis zu 12 Gramm – wurde in den Untersuchungen weder ein Zusammenhang mit dem Atemgas noch mit Beschwerden gefunden.
Es gab Betroffene, die deutlich mehr vertrugen und es gab Betroffene, die deutlich weniger vertrugen – dieser Zusammenhang widerspricht nicht dem Befund, sondern zeigt, dass immer auch Extremfälle auftreten.
Wie bei der Körpergröße auch im Mittel ist ein Mann in Deutschland wohl 179 cm.
Es kann aber sehr viel kleinere Männer und sehr viel größere Männer geben.
Das ist kein Zeichen gegen die Daten, sondern ein Zeichen für eine gute Datenlage.
Was bedeutet das für Sie?
Von den tausenden Menschen, die diesen Artikel bisher gelesen haben, wird die absolute Mehrzahl keine laktosefreien Lebensmittel oder ständige Laktase benötigen.
Für die absolute Mehrzahl reicht es, wenn sie bei großen Portionen auf die laktosefreien Alternativen ausweichen oder Laktase nehmen – aber explizit nicht ständig und ohne Angst vor Laktose selbst.
Die Menge machts.
Ein kleiner Teil der Betroffenen muss dagegen schon bei kleineren Mengen auf Hilfe zurückgreifen, aber nur ein kleiner Teil.
Ein noch kleinerer Teil muss (durch chronische Darmentzündungen etwa oder Operationen im Darm) auf Laktose tatsächlich verzichten.
Aber es gibt auch einen kleinen Teil der Betroffenen, die sehr viel Milch vertragen, obwohl sie laktoseintolerant getestet wurden und es sind.
Davon wird ebenfalls ein kleinerer Teil fast so viel vertragen wie jeder Laktose-Tolerante.
Wird nun diese individuelle, aber in der Mehrheit immer noch hohe Toleranzschwelle überschritten, treten die altbekannten Beschwerden auf.
Entstehen dann auch bösartige Giftstoffe, wie es 2016 eine große deutsche Zeitung schrieb?
Wo ist der Ursprung dieser Vermutung?
Einerseits in den Beschwerden der Betroffenen. Wer sich mit Blähungen und Durchfall quält und merkt, dass ein Stoff sie auslöst, der ist auf den ersten Blick überzeugt:
Das ist Gift für mich!
Doch nicht der Stoff selbst ist der Verdächtige.
Wie bei einem guten Glas Wein:
Die Menge macht es.
Bewusst genießen ist eine Freude, zu viel davon in zu kurzer Zeit ein Problem.
Sie müssen nicht abschwören, ein kleineres Glas ist ein selbstbewusster Schritt.
Wie beim Wein auch hilft hier ein Blick darauf, was Laktose im Körper anrichtet.
Schaut man sich die Literatur an und sucht nach Begründungen dafür, dass Laktose Quelle für Giftstoffe im Darm ist, findet sich nur eine Autorengruppe an einer selbst gegründeten Kurklinik, die diese Meinung vertritt.
Dabei werden eher unwissenschaftliche Quellen zitiert und mehr Ideen als wissenschaftliche Ergebnisse selbst veröffentlicht. Diese Arbeitsgruppe geht davon aus, dass bei der anaeroben Fermentation von Laktose im Darm ein Stoff namens Methylglyoxal frei wird – dieser wird dann gleich mit Krebs, Diabetes und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht.
Problematisch daran unfassbar viel.
Die anaerobe Fermentation ohne Sauerstoff findet im Dickdarm mit nahezu allen Ballaststoffen statt, nicht nur mit Laktose.
Auch die Gase, die wir nach jedem Bohnenessen in die Welt pupsen, entstehen auf demselben Weg.
Unsere Darmflora bildet auf diesem Weg Ihr notwendiges Futter – und das einiger Darmzellen gleich mit.
Im Fall von Laktose bildet die Darmflora mit Ihrer eigenen Laktase verschiedene Stoffe, zu denen neben Gasen auch kurzkettige Fettsäuren und Milchsäure gehören, die sogar ziemlich nützlich sein können.
Anaerobe Fermentation findet also nicht nur bei Laktose statt und es ist nicht mal ungewöhnlich, dass ein Darm Stoffe fermentiert, die wir direkt nicht verdauen können.
Davon lebt er!
Wie steht es nun um das vermeintliche Gift Methyglyoxal?
Einige Menschen schwören traditionell auf Manukahonig, dessen Hauptbestandteil Methyglyoxal ist.
Einige Studien assoziieren den Stoff sogar mit krebsprotektiver Wirkung und eine Untersuchung hat direkt geprüft, ob Kot, indem Laktose durch die Darmbakterien verdaut wurde, vielleicht zellschädigend sein könnte.
Sie konnten keine Zellschädigung feststellen, obwohl sie sich sehr bemüht haben.
Es gibt aktuell also nur Hypothesen (oder noch strenger gesagt: Behauptungen), dass aus Laktose entstehende Stoffe wirklich giftig sind.
Es lässt sich kaum zeigen, dass diese Stoffe exklusiv bei Laktose entstehen und nicht ganz normal bei jeder Verdauung.
Im Gegenteil:
in einer neuen Studie im Jahr 2024, die in Nature Metabolism erschienen ist, wurde untersucht, ob sich zwischen unverdauter Laktose bei Menschen mit Laktoseintoleranz und der Darmflora nicht sogar ein positiver Effekt finden lässt.
Die Autoren stellen fest, dass unverdaute Laktose – anders als erwartet – sogar nützlich für die Darmflora sein kann. [1]
Für die Begründungen, dass man Laktase nur in Ausnahmen nehmen sollte, also
- dass immer etwas Laktose „durchrutschen“ könnte
- dass man als Laktoseintolerante ja nicht immer genau dosiert und dadurch etwas kaputt macht
- dass laktosefreie Lebensmittel mit ihrem garantiert niedrigen Laktosegehalt sicherer sind
hat das einige Bedeutung.
Es ist anzunehmen, dass auch bei Laktose-Toleranten immer mal Laktose in den Dickdarm gelangt.
Die körpereigene Laktase reagiert nicht auf die Menge der Laktose in der Nahrung – essen Tolerante viel Laktose, dann haben sie trotzdem nicht mehr körpereigene Laktase im Dünndarm.
Das „Durchrutschen“ ist also nicht auf unsere Intoleranz beschränkt, bei uns ist es im Zweifel nur deutlich mehr.
Anhang der Studienlage können wir aber sehen, dass es selbst bei mehreren Gramm für die Mehrheit kaum Probleme geben dürfte.
Wenn Laktase als Möglichkeit mehr Freiheit im Alltag zu haben also abgelehnt wird, weil Laktose durchrutschen könnte, müssen wir uns vor Augen führen, dass mehrere Gramm ohne Probleme durchrutschen könnten.
Dazu ein Rechenbeispiel:
Mit rund 5000 FCC Laktase lässt sich eine Reduzierung des Wasserstoffs im Atems, der durch die Verdauung von 25g Laktose entsteht, um rund 80 % erreichen.
Gehen wir davon aus, dass viele Laktoseintolerante mehrere Gramm Laktose gut vertragen – und darin bestärken uns einige Studien seit den 1970ern bis heute – dann könnte einiges an Laktose „durchrutschen“ und die Mehrzahl der Betroffenen dürfte nichts davon spüren.
Bei 25g wären nach 80 % Reduzierung noch 5 ungespaltene Gramm übrig. 25 Gramm, das ist ein halbes Kilo Joghurt und immer noch eine Menge, bei der die „durchgerutschte“ Laktose innerhalb der Toleranz der Mehrzahl aller Betroffenen ist.
Es bräuchte also unrealistische Mengen Laktose für jeden bewusst lebenden Betroffenen, damit Laktase problematische Mengen Laktose durchrutschen lässt.
Das wirft gleichzeitig auch ein schwieriges Licht auf die Annahme, dass wir Betroffenen immer wieder falsch dosieren und unseren Darm damit schädigen.
So plausibel es klingt, so schwer ist es im Detail nachvollziehbar.
Wir empfehlen unseren Bestellern mittlerweile mit einem Milli pauschal pro Mahlzeit zu dosieren und der absoluten Mehrzahl geht es gut (und sie sparen viel Geld).
Denn wie oben beschrieben reichten rund 5000 FCC bei der Gabe von 25g Laktose aus, um die Auswirkungen der Laktose um 80 % – und damit in ein beschwerdefreies Maß – zu reduzieren. 25 g Laktose sind schwer zu erreichen und im Grunde nur dann, wenn man es wirklich, wirklich will.
Ein großer Eisbecher im Sommer oder ein sehr großer Teller Suppe mit viel Sahne wären nötig, um diese Grenzen zu überschreiten.
Zufällig und unbewusst erwischt das keine Betroffene, die ein wenig Erfahrung (oder Hilfe von uns!) hat.
Die Dosierung haben auch wir über Jahre unnötig verkompliziert.
Es ist fast unmöglich Laktase mit rund 5000 FCC falsch zu dosieren, wenn das Präparat die mit Bedacht für die Besonderheiten des Enzyms hergestellt wurde, sich also schnell löst und das Enzym rasch freisetzt.
Damit ist auch das letzte Argument, dass laktosefreie Milchprodukte durch den garantiert niedrigen Gehalt sicherer sind, schwer nachvollziehbar.
Viele Betroffene dürften deutlich mehr als ein Gramm vertragen, damit soviel Laktose „durchrutscht“ braucht es schon viel Laktose im Essen bei einer normalen Dosierung von 5000 Laktase-FCC.
Die durchgerutschte Laktose ist auch weder giftig, noch sorgt sie in diesen Mengen für Beschwerden – beides ließ sich nie nachweisen.
Wenn also von „sicher“ die Rede ist, dann ist unklar, wovor wir Betroffenen geschützt werden sollen und wieso mehr „Sicherheit“ nötig ist, wenn es denn schon reicht, die Laktose mit Laktase in den individuellen Toleranzbereich hinein zu reduzieren.
Laktoseintolerante sind in der Mehrzahl in diesem Bereich beschwerdefrei und auch laktosefreie Milchprodukte machen sie nicht „beschwerdefreierer“.
Zusammengefasst:
Laktase ist so chemisch oder unchemisch wie jedes Nahrungsprotein – und in laktosefreien Milchprodukten ebenso zugesetzt.
Laktase spaltet Laktose recht zuverlässig in einer Stärke, die für die absolute Mehrzahl der Betroffenen ausreichen dürfte.
Von dem, was an Laktose hindurchrutscht, ist kein Schaden zu erwarten.
Die Stoffe, die dabei entstehen, entstehen bei der Verdauung von anderen Stoffen ebenfalls, es gibt keinen Hinweis auf Ihre Giftigkeit und es braucht recht große Mengen Laktose, damit Beschwerden aus der reinen Menge verdauter Laktose entstehen können.
So große Mengen, dass Sie sie als aufgeklärter Betroffener und aufgeklärte Betroffene nur mit viel List und Tücke, kaum aber überraschend, erreichen würden.
Wenn Ihr Lieblingseisbecher also riesig ist, dann nehmen Sie doch besser 10 000 FCC – für alle anderen Leckereien werden 5000 FCC ohne böse Überraschungen ausreichen.
[1]Luo, K., Chen, G. C., Zhang, Y., Moon, J. Y., Xing, J., Peters, B. A., … & Qi, Q. (2024). Variant of the lactase LCT gene explains association between milk intake and incident type 2 diabetes. Nature Metabolism, 6(1), 169-186.